von Josephat Seleman Hema aus Tansania.

Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich keine rechte Lust auf das politische Seminar hatte, bevor ich vom 4. – 8. November 2019 tatsachlich dort war. Ich war noch ein wenig müde von meiner Reise nach Wien, Bratislava und Budapest, wo ich zusammen mit meinem Freund El Pacific aus der Demokratischen Republik Kongo war. Ich hatte mich einfach darauf gefreut, die anderen Freiwilligen zu treffen, die ich normalerweise zu Seminaren sehe, und natürlich hatte ich mich auch darauf gefreut, weitere deutsche Städte kennenzulernen: Braunschweig und Hannover.Was würde uns das politische Seminar in Deutschland bringen? Wir waren schon gespannt darauf, was genau der Inhalt des Seminars sein würde und was wir über die deutsche Politik lernen würden. Ich muss auch sagen, dass ich sehr viele negative Meinungen zur Weltpolitik allgemein und zur Politik von „meinem“ Erdteil Afrika hatte. Seitdem die ursprünglich kolonialen Grenzen in Afrika zu politischen Grenzen geworden sind, gibt es eine große Anzahl von Konflikten, von selbstsüchtigen Taten und von Korruption. Es fühlt sich an, als ob Afrika viel mehr in Einzelteilen als vereint ist.

Weiterhin dachte ich auch nicht, dass die sogenannte „Demokratie“ für meinen Kontinent das richtige sei. Ich möchte nicht unbedingt für den gesamten Kontinent sprechen, aber die Einführung der Demokratie hat oft mehr geschadet als genützt. Sie führte zu einem Systemwechsel, der alle früher gut eingeführten und gut funktionierenden afrikanischen Strukturen von Leitung und Regierung über den Haufen geworfen hat. Das war meine Meinung, und das war auch der Grund dafür, dass ich mich überhaupt nicht mehr für Politik interessiert habe.

Warum sollte ich mich bemühen zu sprechen, wenn niemand zuhört und meine Worte ernst nimmt? Warum sollte ich wählen, wenn meine Stimme absichtlich „verloren“ ging? Warum sollte ich mich zu der Verwendung von öffentlichen Mitteln äußern, wenn all das Geld in die Taschen von einigen wenigen floß? Würde Politik die Lösungen für die Herausforderungen der Menschen bieten? Sind nicht die Politiker*innen diejenigen, die kranke kapitalistische Politik machen und damit die Welt zerstören?

Für mich waren die Politiker*innen und die Politik eher das Problem als die Lösung. Ich war daher gar nicht gut auf die Politiker*innen zu sprechen und habe mich überhaupt nicht bemüht, an den Veränderungen aktiv teilzunehmen. Aber das ist eben keine Lösung. Merlin, der das Seminar leitete, sagte: „Selbst wenn Du kein Interesse an Politik hast, hat die Politik immer noch Interesse an dir.“

Ich habe nicht geahnt, dass ich mir wünschen würde, dass das Seminar noch ein wenig länger gedauert hätte. Wir hatten interessante Erkenntnisse und Diskussionen aus den verschiedensten Blickwinkeln aus der ganzen Welt. Merlin hatte ein ungeheures Wissen, und er konnte eine Menge aus verschiedensten Perspektiven erklären. Das ist ein Grund dafür, dass das Seminar so interessant war. Ich war froh, dass die Diskussionen unsere Sichtweisen geweitet haben und wir nicht in eine Denkrichtung gezwungen wurden. Ich war dankbar, dass wir die Freiheit hatten, unsere Gedanken darzulegen, egal welcher Art sie waren.

Wir haben soviel überlegt, was man tun kann, um politische Veränderungen mit anzustoßen. Ich bin froh, dass ich endlich angesteckt wurde, selbst kleine Schritte für die politische Richtung in meinem Land mitzumachen. Durch die motivierende Atmosphäre im Seminar habe ich meine Einstellung geändert und komme zu dem Ergebnis, dass ich vielleicht doch in meinem Land, in Tansania, etwas tun kann. Natürlich kann ich. Natürlich werde ich das tun. Egal wie wenig das auch sein wird.